Hessische Rallyeflieger Weltmeister

Ein großer Erfolg für hessische Motorflieger bei der Weltmeisterschaft im Rallyeflug vom 4. bis 9. September in Santa Cruz (Portugal): Gleich drei der vier deutschen Crews kamen aus Hessen. In der Wettbewerbsklasse "Advanced" wurden die Mannschaften Arnold und Dörte Grubek (Hanseatischer Fliegerclub, Frankfurt) sowie Robert Deppe und Carla Moses (LSG Breitscheid-Haiger) Weltmeister in der Mannschaftswertung.

Die Weltmeister-Mannschaft (v.l.n.r.) Dörte Grubek, Arnold Grubek, Carla Moses, Robert Deppe

In der noch anspruchsvolleren Wettbewerbsklasse "Unlimitted" erreichten Marcus und Astrid Ciesielski (LSG Breitscheid) und Thomas und Alexandra Kirchner (Deutscher Präzisionsflug-Verein) den vierten Platz in der Mannschaftswertung. Die offiziell "FAI World Rallye Flying Championship" genannte Veranstaltung des Weltluftsportverbandes in Portugal war bereits die 20. Weltmeisterschaft.

Die hessischen Crews hatten sich akribisch auf diesen Wettbewerb vorbereitet. Zu Beginn war der Weg das Ziel.Markus Ciesielski und Robert Deppe  entschieden sich dafür mit dem Flieger nach Portugal zu fliegen. Die Crews um Thomas Kirchner und Arnold Grubek hingegen bedienten sich des Angebotes eines Charterers vor Ort.

Auf dem Weg zum Sieg: Die Wettbewerbsmaschine der Luftsportgruppe Breitscheid-Haiger

Deshalb machte sich Robert  Deppe bereits am 27. August. von Breitscheid aus auf den Weg durch Frankreich und Spanien nach Portugal machte. Nach drei Tagen endlich angekommen, konnte das Training ab dem 31. August dann beginnen. Nach und nach kam auch das restliche Team auf dem westlichsten Flugplatz Portugals direkt an der Atlantikküste an. Nachdem am 31. August auch Markus Ciesiekski mit seinem Flieger gelandet war, machte sich das "Team-Deutschland" in Santa Cruz bereit für den Wettbewerb: Es hieß trainieren, trainieren und nochmals trainieren. Bis zur Eröffnungsfeier am 4. September wurden jede Trainingsstunde genutzt, um in der tollen Landschaft mit dem Flugplatz direkt an der Küste zu fliegen. Es zeigte sich schnell, dass dort von oben dann doch etwas schwierig zu navigieren war.

Unerwartet war es Anfang September doch recht kühl. An fast jedem Morgen zog der Seenebel vom Meer auf das Festland, so dass alle Teams sich im Warten üben mussten. Sobald der Nebel sich verzogen hatte, konnte geflogen werden. Aber mit Vorsicht, denn am Abend kam der Nebel oft zurück. Die Wartezeit zwischen den Trainingsstrecken wurde dann genutzt um die Wassertemperatur des Atlantiks zu testen oder es wurde von den Crews Volleyball am Strand gespielt.

Karte mit den Kursen und Tableaus mit den Bildern, die aus der Luft zu finden sind

Dann ging es am 5. September los. Voll motiviert gingen Robert Deppe und Carla Moses als erste Crew in der Advanced-Klasse in die Luft. Vor dem Start wurden die Umschläge mit den Aufgaben verteilt. In der Advanced-Klasse hattew man 40 Minuten bis zum Start Zeit die Strecke zu konstruieren. Hierzu wurden in den Wettbewerbsunterlagen einzelne Koordinaten und Entfernungen angegeben, aus denen sich die Besatzungen die Strecke selbst errechnen mussten. Für geübte Crews  reichte die Zeit vollkommen aus, um rechtzeitig vor dem Start fertig zu werden und den Flug gut vorbereitet anzutreten.

In der Unlimited-Klasse ist die Vorbereitungszeit deutlich kürzer. Hier sind es lediglich 15 Minuten, in denen die Teilnehmer zumindest den ersten Teil der Strecke fertig stellen müssen. Die restliche Strecke muss dann noch während des Fluges berechnet werden. Eine Strecke besteht aus ca. 14 bis 16 Punkten, die mit Kursdreieck, Maßband und Zirkel zu konstruieren sind. Auf der Strecke kann es vorkommen, dass z.B. ein Kreisbogen zwischen zwei Punkten abgeflogen werden muss. Solche Aufgaben waren für viele Piloten und Navigatoren über dem portugiesischen Festland äußerst anspruchsvoll.

Eine weitere Aufgabe bei der Rallyefliegerei besteht darin, Bilder, Bodenzeichen und Wendpunkte in der Landschaft zu identifizieren und diese an der korrekten Stelle in einer Karte zu markieren. Auch bei dieser Aufgabenstellung gibt es Unterschiede zwischen der Unlimited- und Advanced Klasse.

In der Advanced Klasse werden wir Bilder in der Reihenfolge der Flugstrecke angegeben und auch die Wendepunkte sind korrekt abgebildet. In der Unlimited Klasse sieht das etwas anders aus. Die Wendepunkte können zum einen richtig oder falsch sein und die Bilder sind nicht in der richtigen Reihenfolge angeordnet. Zudem sind die Bildausschnitte etwas kleiner und deshalb auch schwieriger zu finden. Bis zu vier Bodenzeichen werden auf der Strecke ausgelegt. Diese sind aus der Luft zu finden und müssen in eine Karte eingetragen werden.

Für beide Klassen gilt dann, die Entfernung zwischen den eingetragenen Bilder, Bodenzeichen und Wendepunkten in der Karte abzumessen und dann in einen Lösungsbogen einzutragen. Auch bei der Übertragung kann es dann natürlich mal zu Fehlern kommen. Diese Erfahrung hat bereits fast jedes Team gemacht und wird natürlich mit Strafpunkten "belohnt". Die letzte Aufgabe des Wettbewerbs sind dann noch zwei Ziellandung in einem nur zwei Meter langen Feld auf der Landebahn.

Bereits beim ersten Briefing in Santa Cruz gab es Gelächter als es hieß, dass die Landungen auf der „Grasbahn“ absolviert werden müssen. Die „Grasbahn“ war lediglich eine staubige Piste. Weit und breit kein Gras zu sehen. Mit deutscher Gründlichkeit wurde auf der Piste das Landefeld  und die deutsche Landeanlage installiert. So war für jede Crew zumindest im Anflug gut erkennbar wo genau gelandet werden musste.

Am 5. und 6. September 2016  (Montag und Dienstag) wurde der Wettbewerb für beide Gruppen ausgetragen. Am 7. September durfte nur die Unlimitted-Klasse starten. Der Nebel hatte bereits schon am Morgen dieses Mittwochs das Landefeld bedeckt und die Prognose für den Abend sagte keine Besserung voraus. Somit war das Zeitfenster nicht groß genug um beide Klassen starten zu lassen.

Ausflug

Die freie Zeit wurde natürlich von der Advanced-Klasse genutzt. Dörthe und Arnold Grubek sowie Robert Deppe und Carla Moses machten Ausflüge. Zusammen mit dem Südafrikanern und Österreichern ging es an der Küste entlang nach Peniche zum Mittagessen und weiter nach Óbidos. Andere verbrachten den freien Tag in Lissabon oder einfach am Strand.

Am Donnerstag ging es wieder auf den Flugplatz. Der letzte Wertungstag (Donnerstag) stand bevor. Bis dahin war der Punktestand des Deutschen-Teams im stetigen auf und ab gegenüber den anderen Nationen. Die ersten Plätze waren zwischen den Franzosen, den Polen und den Tschechen hart umkämpft. Also hieß es noch einmal angreifen um die folgenden Platzierungen den deutschen Crews zuzuordnen.

Nach Rückkehr der Wettbewerber von der Strecke waren die Endergebnisse noch lange nicht bekannt und das sollte sich bis Freitag auch nicht ändern. Also feierten die Teilnehmer aus 18 Nationen gemeinsam am Abend. Traditionell bringen die Wettbewerbsteilnehmer landestypische Getränke mit und feiern ausgelassen gemeinsam den letzten Tag der WM. Da durfte der deutsche Jägermeister natürlich nicht fehlen.

Am Freitag war es dann endlich soweit. Am Abend stand die lang ersehnte Siegerehrung statt. Zuvor wurden alle Teilnehmer zu einem Weingut gebracht, wo eine Weinprobe stattfand. Dann ging es weiter nach Sintra auf eine alte Militärbasis mit einem Flugzeugmuseum, wo auch die Abendveranstaltung stattfand.

Und dann kamen nach erneutem Warten in einer nichtklimatisierten Halle endlich die Ergebnisse. Natürlich hatte sich das Deutsche-Team schon im Vorfeld ausgerechnet, dass es eine Medaille geben könnte, aber klar war es uns noch nicht. Insgesamt starteten in der Advanced-Klasse 29 Crews. So war die Freude umso größer, als Dörthe und Arnold Grubek einen hervorragenden 7. Platz und Carla Moses und Robert Deppe Platz 11 in der Einzelwertung erreichten.

In der Unlimitted-Klasse erreichten Alexandra und Thomas Kirchner Platz 15 und Astrid und Marcus Ciesieslski Platz 18 von 22 Crews.

Nachdem das Team Vater und Tochter Kirchner mit den Geschwistern Carla Moses und Robert Deppe bereits vor zwei Jahren auf der 19. WM im polnischen Tourun gemeinsam in der Advanced-Klasse Silber in der Teamwertung erhalten haben, wurde das Ergebnis bei der diesjährigen 20. Weltmeisterschaft in Santa Cruz durch eine neue Familienkonstellation noch getoppt: Das Ehepaar Grubek holte gemeinsam mit dem Geschwistern Deppe/Moses Gold vor Südafrika (Silber) und Russland (Bronze) in der Mannschaftswertung in der Advanced-Klasse.

In der Unlimitted-Klasse erreichte das Team  Vater und Tochter Kirchner  (Berlin/Brandenburg) mit dem Ehepaar Ciesielski  hinter den unschlagbaren Franzosen (Gold), Polen (Silber) und den Tschechen (Bronze) immerhin Rang 4 in der Teamwertung.

Aber auch wenn als Wettbewerbscrew nicht auf dem Treppchen landet, ist jede Rallye-Weltmeisterschaft es ein tolles Ereignis. Das familiäre Beisammensein der Teilnehmer aus so vielen  Nationen, gemeinsame Abende und Ausflüge prägen jede Weltmeisterschaften und sorgen dafür, dass man sich direkt auf ein Wiedersehen in einem anderen Land beim nächsten Motorflugwettbewerb freut.

Wenn man bedenkt, dass in vielen Nationen der Flugsport staatlich gefördert wird, die Crews ausreichend Trainingsmöglichkeiten bekommen und die meisten der Piloten auch beruflich ständig im Cockpit sitzen, ist es für die Deutschen Crews umso schöner in dieser Liga mitzumischen. Und das, wie am Gesamtergebnis zu erkennen ist, auch mit Erfolg.

Dabei spielen die hessischen Teams im deutschen Motorflugsport eine große Rolle. Von den vier Crews, die für Deutschland bei der WM am Start waren, kamen drei aus Hessen. Eine weitere hessische Besatzung musste kurzfristig absagen. Noch bis vor wenigen Jahren bekam Deutschland kaum noch eine vollständige Mannschaft für internationale Wettbewerbe zusammen. In den letzten Jahren hat sich dieser Trend jedoch umgekehrt. Die deutschen Motorflieger werden bei internationalen Wettbewerben wieder wahrgenommen. Damit dies so bleibt, braucht der Rallye-Motorflug Nachwuchs. Deshalb veranstaltet der Hessische Luftsportbund e.V. in jedem Jahr Wettbewerbsseminare, um gerade auch Neulinge und Einsteiger auf Trainingsstrecken mit dem Rallyfliegen bekannt zu machen. Und wer weiß? Besatzungen, die beim nächsten Wettbewerbsseminar des HLB erstmals dabei sind, Spaß an der Sache finden und regelmäßig an Motorflugwettbewerben teilnehmen und trainieren, könnten vielleicht in wenigen Jahren auch schon bei einem "FAI World Flying Rallye Championship" dabei sein?

Carla Moses/wb

Die hessischen Teilnehmer (v.l.n.r.): Arnold Grubek, Dörte Grubek, Astrid Ciesielski, Carla Moses und Robert Deppe. Auf dem Foto fehlt Marcus Ciesielski, der dieses Bild aufnahm.